ADHS – oder warum DAVE besser passen würde
Von Alena Fleischmann
Was die Neurodiversität ADHS bedeutet, scheint allgemein bekannt zu sein. ADHS ist Teil des Alltags, denn jeder kennt den einen oder anderen typischen „Zappelphilipps“ und glaubt relativ gut über die Diagnosekriterien informiert zu sein. In den Medien wird schließlich ständig darüber diskutiert ob ADHS eine Modediagnose ist und welche Auswirkungen ADHS auf die betroffenen Schüler:innen und ihre Lehrer:innen hat. Diese öffentlichen Diskussionen, die oft ohne entsprechende Fachleute stattfinden, und das viele Halbwissen, das sich über Social Media verbreitet, täuschen eine öffentliche Informiertheit und einen großen Forschungsstand zu ADHS vor, der nicht der Realität entspricht. So sind viele nach außen hin als Fakten wirkende Aussagen nur Teile des Stereotyps des „Zappelphilipps“ oder veraltetes Wissen. Die Forschung der letzten Jahre hat jedoch vor allem eines gezeigt: wie wenig wir tatsächlich über ADHS wissen.
Was ist ADHS?
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist eine Entwicklungsstörung und zählt zu den Neurodiversitäten. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) haben ca. 5 % aller Kinder und Jugendlichen ADHS. Bei Erwachsenen liegt die Prävalenz laut einigen Studien bei ca. 2,5 %. Aktuelle Studien weisen jedoch auf höhere Zahlen und eine Diagnoselücke vor allem bei erwachsenen Betroffenen hin.
Laut ICD 11 lassen sich ADHS und seine Symptome wie folgt beschreiben:
„Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist durch ein anhaltendes Muster (mindestens 6 Monate) von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität gekennzeichnet, das sich unmittelbar negativ auf das schulische, berufliche oder soziale Funktionsniveau auswirkt. Es gibt Anzeichen für bedeutsame Unaufmerksamkeits- und/oder Hyperaktivitäts-Impulsivitätssymptome vor dem 12. Lebensjahr, typischerweise in der frühen bis mittleren Kindheit, obwohl einige Personen erst später klinisch auffallen können. Das Ausmaß der Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität-Impulsivität liegt außerhalb der normalen Schwankungsbreite, die für das Alter und das intellektuelle Funktionsniveau erwartet wird. Unaufmerksamkeit beschreibt bedeutsame Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit für Aufgaben aufrechtzuerhalten, die keine hohe Stimulation oder häufige Belohnung bieten, sowie auf Ablenkbarkeit und Probleme bei der Organisation. Hyperaktivität bezieht sich auf übermäßige motorische Aktivität und Schwierigkeiten mit dem Stillhalten, die vor allem in strukturierten Situationen auftreten, die eine Selbstkontrolle des Verhaltens erfordern. Impulsivität beschreibt die Tendenz, auf unmittelbare Reize hin zu handeln, ohne zu überlegen oder die Risiken und Folgen zu bedenken. […]” (aus der ICD-11 in Deutsch – Entwurfsfassung)
Dabei sind diese diese Symptome in ihrer Ausprägung von Person zu Person unterschiedlich und können sich im Laufe des Lebens verändern. Für eine Diagnose ist außerdem noch wichtig, dass diese Symptome der Unaufmerksamkeit und/oder der Hyperaktivität-Impulsivität in verschiedenen Situationen oder Umgebungen (z. B. zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz, bei Freunden oder Verwandten) auftreten. Außerdem dürfen die Symptome für eine ADHS Diagnose nicht besser durch eine andere psychische, verhaltensbezogene oder neuromentale Entwicklungsstörung erklärbar sein und nicht auf die Wirkung einer Substanz oder eines Medikaments zurückzuführen sein.
In dieser Definition wird sehr viel Fachjargon verwendet, wodurch alles sehr vage wirken kann. In Alltagssprache übersetzt bedeutet dies, dass ADHS in drei Hauptsymptome unterteilt wird, die in unterschiedlichem Ausmaß auftreten können. Zudem kann einer dieser Bereiche stärker ausgeprägt sein. Diese Hauptsymptome sind Aufmerksamkeitsstörung/Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Sie können sich beispielsweise durch folgende Anzeichen äußern:
Aufmerksamkeitsstörung
- Schwierigkeiten, Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten
- Flüchtigkeitsfehler
- nicht aufmerksam zuhören können
- Anweisungen nicht vollständig ausführen können und Arbeiten nicht zu Ende bringen.
- Schwierigkeiten, Dinge zu organisieren
- Vermeidung / Abneigung gegen Aufgaben, die geistige Anstrengungen verlangen
- Dinge verlieren
- leicht ablenkbar sein
- Vergesslichkeit im Alltag
Hyperaktivität
- Zappeln, auf Stuhl herumrutschen
- häufiges Aufstehen
- Herumlaufen
- Schwierigkeiten, sich ruhig zu beschäftigen
- zu viel reden
- anhaltende Muster von körperlichen Aktivitäten, die durch die soziale Umgebung oder Vorschriften nicht durchgreifend beeinflussbar sind
Impulsivität
- platzt mit Antworten heraus
- kann nur schwer warten
- unterbricht und stört andere
- impulsive Einkäufe
Weitere Symptome für ADHS können sein:
- erste Symptome vor dem 12. Lebensjahr bemerkbar gewesen
- kontinuierlich auftretende Stimmungsschwankungen / Wutausbrüche
- ungewöhnlich heftiges Reagieren auf schwierige Situationen
- Schlafstörungen
- emotionale und soziale Probleme
- fehlendes Frustrations- und Problemmanagement
Für die Diagnostik ist zudem wichtig, dass diese Symptome zu einer erheblichen Beeinträchtigungen in der Lebensführung führen.
Wie macht sich ADHS im Alltag bemerkbar und warum sollte es besser DAVE heißen?
Diese drei Hauptsymptome haben ADHS seinen Namen gegeben. An diesem Namen gibt es aber immer wieder Kritik, da er nicht adäquat wiedergibt, wie sich die Symptome äußern oder woher sie stammen. Insbesondere weil Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung so klingt, als könnte jemand mit ADHS sich gar nicht oder kaum konzentrieren, was nicht stimmt. Es ist kein Problem des “gar nicht können”, sondern des “nicht regulieren können” von Konzentration. So haben Personen mit ADHS in vielen Situationen große Schwierigkeiten, sich auf eine Sache zu konzentrieren oder anderen zuzuhören, ohne abzudriften. Jede Kleinigkeit wird ebenso stark wahrgenommen wie das, worauf man sich fokussieren möchte. So kann beispielsweise schon eine Wolkenformation am Himmel, die wahrgenommen wird, zum Problem bei der Bearbeitung von Aufgaben werden. Menschen mit ADHS können sich aber auch stundenlang sehr konzentriert mit etwas beschäftigen, wenn sie einen sogenannten Hyperfokus entwickeln.
In solchen Momenten entsteht ein Flow in dem sehr intensiv und lange an einem Thema oder Projekt gearbeitet wird. Oft vergessen Personen dann sogar zu essen oder Pausen zu machen. Auch kann es dann schnell passieren, dass die Zeit vergessen wird und soziale Kontakte vernachlässigt werden. Dieser Hyperfokus ist jedoch nicht lenkbar. Das führt immer wieder dazu, dass Personen mit ADHS von ihrer Umgebung den Vorwurf hören, sie könnten sich ja doch konzentrieren und warum sie das nicht auch mal bei XY machen. Ihnen wird auch vorgeworfen, dass sie sich einfach nicht auf bestimmte Themen konzentrieren wollen oder dass sie einfach faul sind. Das kann unglaublich frustrierend sein, denn sie leiden selbst am meisten unter ihrer nicht funktionierenden exekutiven Funktion. So kann jemand mit ADHS beispielsweise stundenlang an einem detaillierten Gemälde arbeiten, aber nicht den Abwasch anfangen, da das Gehirn quasi eine Sperre hat und es nicht zulässt. Um sich das von außen vorstellen zu können, hilft es sich vorzustellen wie schwer es einem fallen würde absichtlich eine heiße Herdplatte anzufassen. Unser Gehirn versucht nämlich mit aller Kraft, dies zu verhindern, um uns zu schützen. Bei Menschen mit ADHS tritt eine solche Sperre oft bei alltäglichen Aufgaben auf. Manchmal ist schon das Aufstehen und Zähneputzen ein riesiger Kampf mit dem eigenen Gehirn. Dies führt häufig dazu, dass Alltagsaufgaben eine extreme Hürde darstellen und trotz ihrer Dringlichkeit nicht erledigt werden.
Regulation ist aber nicht nur beim Thema Konzentration ein wichtiges Stichwort bei ADHS, sondern spielt auch beim dem Symptom der Impulsivität eine große Rolle. Viele ADHS-Betroffene haben Probleme mit der Selbstregulation. Sie treffen unüberlegt und vorschnell Entscheidungen oder haben Schwierigkeiten die negativen Konsequenzen einer Handlung vorherzusehen. Dadurch geraten sie in ungünstige Situationen z.B. wenn sie das Geld, das für Lebensmittel vorgesehen war, in einem Impulskauf für neue Kleidung ausgegeben. Diese Selbstregulationsschwierigkeiten können auch dazu führen, dass Menschen mit ADHS von Außenstehenden als rücksichtslos, leichtsinnig und unbedacht wahrgenommen werden. Auch die emotionale Regulationsfähigkeit kann durch ADHS beeinträchtigt sein, sodass es zu nach außen übertrieben wirkenden oder sehr starken emotionalen Reaktionen kommen kann. Auch ein gutes Mittelmaß bei Schlaf und Essen zu finden kann ADHSler:innen schwer fallen. Aufgrund all dessen schlug der TikToker Conner DeWolfe, der selbst ADHS hat, halb im Scherz vor ADHS in DAVE umzubennen: Dopamine Attention Variability Executive-dysfunktion. Woher das Dopamin kommt in der Umbenennung wird im Abschnitt “Woher kommt ADHS” aufgeklärt.
Ein weiteres Symptom, das den Alltag von ADHSler:innen beeinflusst, ist eine fehlende Objektpermanenz. Objektpermanenz bezeichnet die Fähigkeit zu wissen, dass ein Objekt auch außerhalb der eigenen Wahrnehmung weiter existiert. Das heißt, dass beispielsweise eine Puppe auch dann weiter existiert, wenn wir uns nicht im selben Raum befinden. Menschen entwickeln diese Fähigkeit im Kleinkindalter. Bei Personen mit ADHS ist diese Fähigkeit nicht beeinträchtigt, allerdings können sie das Existieren eines Objekts oder einer Person „vergessen“, wenn sie keinen aktiven sensorischen Hinweis, beispielsweise durch einen visuellen Reiz oder eine verbale Erinnerung, haben. Im Alltag kann sich das auf verschiedene Weise äußern, z.B. durch das Vergessen eines Topfes auf dem Herd, weil man beim Kochen kurz die Küche verlassen hat oder aber auch durch das Vergessen sich bei Freund:innen und Familie zu melden. Dies kann dann zu Spannungen führen und den Eindruck erwecken, dass der:die ADHSler:in kein Interesse an dem Kontakt hat, auch wenn dies nicht der Fall ist.
Ähnlich kann sich auch das Symptom der Zeitblindheit auch zeitliche Kurzsichtigkeit genannt, auswirken. Dieser Begriff beschreibt die Erfahrung vieler ADHSler:innen kein klares Zeitgefühl zu haben. Dabei ist es oft so, dass es schwieriger wird, Zeit einzuschätzen, je länger etwas in der Zukunft liegt (daher der zweite Name “zeitliche Kurzsichtigkeit”). Dies kann dazu führen, dass man Schwierigkeiten hat, einzuschätzen, wann man los muss, um pünktlich irgendwo zu sein. Selbst wenn man dies richtig einschätzt, kann es passieren, dass man falsch einschätzt, wie lange man zum Fertigmachen braucht oder wie viel Zeit man sich noch lassen kann. Hinzu kommt, dass man durch einen Hyperfokus vielleicht nicht mitbekommt, wie viel Zeit vergangen ist. Dadurch kommen viele ADHSler:innen oft zu spät. Das hat jedoch nichts mit einer geringeren Wertschätzung des Gegenübers oder des Grundes eines Treffens zu tun und liegt nicht daran, dass sich jemand nicht genug Mühe gibt. Dies wird aber oft von außen vermutet. Bei vielen Erwachsenen mit ADHS kann dieses Symptom der Zeitblindheit für viel Stress und Panik sorgen. Vor allem wichtige Termine können dazu führen, dass man sich vorher sich nicht traut, irgend etwas anderes zu machen, und bis der Termin tatsächlich startet, hat man Angst, zu spät zu kommen.
ADHS kann sich natürlich noch auf viele andere Arten im Alltag bemerkbar machen, auch auf sehr positive Weise (siehe Abschnitt “Was kann man von ADHSler:innen lernen?”). In unserer Gesellschaft macht es sich aber aufgrund unserer oft sehr starren Strukturen und mangelnden Aufklärung jedoch eher mit negativen Folgen für die betroffene Person bemerkbar. Denn unsere Gesellschaft bietet neurodiversen Menschen meist nicht die Möglichkeit, auf die für sie beste Art zu leben und zu arbeiten.
Woher kommt ADHS?
Die genauen Ursachen von ADHS sind noch nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich kann aber davon ausgegangen werden, dass ADHS durch ein Zusammenspiel verschiedener genetischer und Umweltfaktoren entsteht. Diese führen dann zu einer anderen Entwicklung neuronaler Regelkreise als bei neurotypischen Menschen. Dies hat beispielsweise Auswirkungen auf die Ausschüttung von Neurotransmittern (Botenstoffen) Ausschüttung. So kommt es zu einem Über- oder Unterangebot an Botenstoffen in bestimmten Gehirnregionen. Bei Menschen mit ADHS sind dabei besonders die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin betroffen. In manchen Bereichen des Gehirns von Menschen mit ADHS stehen Dopamin und Noradrenalin, wenn sie benötigt werden, nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Auf der anderen Seite werden sie in anderen Hirnbereichen zu viel ausgeschüttet (daher das Dopamin in “DAVE” ). Z.B. läuft der Transport von Dopamin in den für Gedächtnis und Lernen relevanten Bereichen bei Menschen mit ADHS anders ab.
Aktuelle Forschungsergebnisse lassen Vermutungen zu, wie bestimmte ADHS-Symptome mit anders funktionierenden Gehirnarealen zusammenhängen. So wird ein schlecht funktionierendes Arbeitsgedächtnis als Ursache für fehlende Objektpermanenz vermutet. Andere Studien deuten wiederum darauf hin, dass Zeitblindheit auch Unterschieden im Kleinhirn zusammenhängen könnte. Das Cerebellum ist der Gehirnbereich, der unsere Wahrnehmung von Zeit beeinflusst. Doch auch hier ist vieles bisher Vermutung und nicht abschließend geklärt, was unter anderem daran liegt, dass das menschliche Gehirn unglaublich komplex ist und wir nicht genau wissen wie genau alles im Gehirn zusammenhängt und abläuft.
Was kann ein ADHS-ler machen um sich den Alltag leichter zu gestalten?
Leider ist unsere Gesellschaft oft nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit ADHS ausgerichtet. ADHS-ler können sich jedoch einen Werkzeugkoffer mit Hilfsmitteln zusammenstellen, um ihren Alltag zu erleichtern. Da jede Person mit ADHS unterschiedlich ist und unterschiedliche Bedürfnisse hat, muss dieser Werkzeugkoffer natürlich individuell angepasst werden. Die folgenden Hilfsmittel und Tricks werden deshalb nicht jedem helfen oder für jeden machbar sein. Dennoch gibt es verschiedene Hilfsmittel, von denen viele Menschen mit ADHS profitieren können. Einige davon möchten wir im Folgenden beleuchten.- Regale statt Schränke, damit die Person sehen kann, was sie besitzt (hiermit wirkt man der fehlenden Objektpermanenz entgegen).
- Strategische Platzierung von visuellen und auditiven Erinnerungen für Aufgaben, z.B. durch Post-its, Wecker oder Whiteboards (zum Ausgleich von z.B. Zeitblindheit und Schwierigkeiten bei der Konzentrationsregulation).
- Beschriftung von Boxen und geschlossenen Aufbewahrungsmöglichkeiten.
- Arbeitsplätze mit möglichst wenig Ablenkung, aber genug Reizinput durch z.B. Fidget Toys oder eine White-Noise-Maschine gestalten, sodass konzentriertes Arbeiten gefördert wird.
- Nahrungsmittel und Getränke im Sichtfeld aufbewahren oder bereitstellen.
- Feste Plätze für Gegenstände schaffen und/oder einen spezifischen Ort, um Gegenstände zu sammeln, die nicht direkt zurückgeräumt werden können (den auch andere Personen nutzen können, um dort Gegenstände der Person abzulegen, die vielleicht irgendwo in der Wohnung abgelegt wurden).
- Trennung der Räume und ihrer Bedeutung, z.B. durch farbliche Akzente (das Arbeitszimmer ist dann vielleicht blau).
- Aufgaben kleinschrittig genug geplant werden, sodass Unterbrechungen kein Problem darstellen.
- Aufgaben kleinteilig und gut sichtbar aufschreiben um den Ablauf erkennbar zu machen und an die noch ausstehenden Aufgaben zu erinnern. Am besten sollte dabei die Möglichkeit bestehen, die Unteraufgaben abzuhaken, um sich nicht aus Versehen die gleichen Schritte zu wiederholen.
- Es sollte für möglichst wenige Unterbrechungen bei der Durchführung von Aufgaben gesorgt werden, z.B. durch ein Schild mit „Bitte nicht stören“ an der Bürotür oder der Zimmertür.
- Der Partner/die Partnerin, die Eltern oder Mitbewohner:innen fangen mit einer Aufgabe an, z.B. die Wäsche in die Waschmaschine zu packen, und die Person mit ADHS muss diese dann nur fertigstellen (dies kann helfen, da oft das Anfangen einer Aufgabe oft große Schwierigkeiten bereitet).
- Man sollte steuern können, wie vielen Reizen man ausgesetzt ist, z.B. durch Vorhänge, Kopfhörer oder eine Sonnenbrille.
- Wer Schwierigkeiten mit Impulskäufen hat, sollte auf PayPal oder andere einfache Online-Bezahlmöglichkeiten verzichten.
- Gesunde Snacks und Mahlzeiten, die keine Vorbereitung erfordern, vorrätig haben.
- Fidget Toys nutzen. Hier kann es nötig sein, auszuprobieren, welche einem helfen.
- Mit anderen über die eigenen Schwierigkeiten reden und darüber sprechen, warum ein bestimmtes Verhalten keine bösen Absichten hat.
- Regelmäßig Personen zu sich in die eigene Wohnung einladen. Das kann dabei helfen, sich eine selbst gesetzte Deadline für das Aufräumen und Putzen zu setzen.
- Wenn die finanziellen Ressourcen vorhanden sind, können Aufgaben, die einem besonders schwerfallen, von anderen erledigt werden, z.B. durch das Anstellen einer Putzkraft oder die Nutzung eines Waschservices für die eigene Kleidung.
- Man kann Apps nutzen, um sich an To-dos, Termine oder die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu erinnern.
- Das Hören von Hörbüchern/Podcasts beim Aufräumen und Putzen.
- Tragen eines bestimmten Outfits oder bestimmter Schuhe, die signalisieren, dass man im Arbeitsmodus ist.
Was kann man von ADHSler:innen lernen?
In diesem Artikel haben wir uns bisher hauptsächlich mit den Schwierigkeiten von Menschen mit ADHS beschäftigt. ADHS kann aber auch unglaublich positive Seiten haben, von denen sich andere das ein oder andere abschauen können.
In der Studie “A qualitative and quantitative study of self-reported positive characteristics of individuals with ADHD” von Schippers, L. et al. wurden die von Betroffenen selbst wahrgenommenen positiven Seiten untersucht. Dabei kam heraus, dass die Personen besonders ihre Fähigkeiten in folgenden Bereichen wertschätzen: Kreativität, dynamisch zu sein, Flexibilität, sozialen Fähigkeiten und kognitive Fähigkeiten.
- Kreativität umfasst dabei u.a. die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszuschauen‚ kreativ bei der Problemlösung zu sein, spontane und überraschende Ideen zu haben, zu träumen, was alles möglich ist und eine reiche Fantasie zu haben
- „Dynamisch sein“ bedeutet hier u.a. viel Energie zu haben, neugierig und abenteuerlustig zu sein, enthusiastisch, für alles offen zu sein und Chancen zu sehen und bereit zu sein, Risiken einzugehen.
- Flexibiltät umfasst spontan, flexibel und offen zu sein, breit gefächerte Interessen zu haben, schnell über Streitigkeiten hinwegzukommen und mit Veränderungen in Plänen gut umgehen zu können.
- Die sozialen Fähigkeiten umfassen, sozial aufgeschlossen und empathisch zu sein sowie stark in Gefühle reingehen zu können. Dabei spielen auch ein starkes Einsetzen für andere und ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit eine Rolle.
- Bei den kognitiven Fähigkeiten schätzten die Befragten besonders ihr Bilddenken, ihre Aufmerksamkeit für Details und ihr schnelles Verständnis für Themen, die ihr Interesse wecken.
Man sieht hieran, dass viele der ADHS-Symptome zwar in einem Bereich für Schwierigkeiten sorgen, dafür aber in anderen Bereichen eine starke Kompetenz erzeugen.
Was können wir dementsprechend von ADHS-lern lernen?
- Flexibilität im Denken und die Bereitschaft, kreative Lösungen für Probleme in Betracht zu ziehen
- uns erlauben, neugierig zu sein und zu schauen, wohin uns diese Neugier führt
- dass es manchmal Sinn macht, Risiken einzugehen und sich etwas zu trauen
- Streitigkeiten nicht lange mit sich herum zu tragen
- Offen für neue Hobbys, Interessen und Menschen zu sein
- Starke Gefühle anzunehmen und zu erkunden
ADHS ist kein Mangel und kein Makel, sondern eine neurologische Realität, die Verständnis, aber Anerkennung und Wertschätzung erfordert.
Quellen:
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