FIP-INSTITUT

Logo FIP mit Schriftzug

Unser psychisches Immunsystem ist wandelbar und wir können daran arbeiten resilienter zu werden um in Zukunft schwierige Situationen besser zu überstehen.

Von Alena Fleischmann

„Man erlebt nicht das, was man erlebt, sondern wie man es erlebt.“

Wilhelm Raabe (Raabe, Gedanken und Einfälle (Sämtliche Werke, Bd. 6, Berlin-Grunewald um 1900)

Wilhelm Raabe beschreibt in diesem Satz ein Phänomen, das wir alle schon einmal beobachtet haben: Wahrnehmung, Reaktion und Erinnerung an eine spezifische Situation können sich je nach Person sehr unterscheiden. Dies trifft insbesondere auch auf den Umgang mit Stress zu.

Was ist Resilienz?

Was ist Resilienz?

Denken Sie einmal darüber nach wie Sie sich kurz vor einer wichtigen Prüfungssituation gefühlt haben. Einige von Ihnen werden sich an eine leichte Aufregung erinnern, während andere vielleicht an vor Aufregung durchwachte Nächte denken mussten und wieder anderen wurde bereits bei dem Gedanken an eine Prüfungssituation übel. Aber warum erleben wir stressige Situationen so unterschiedlich? Eine wichtige Rolle spielt dabei unsere psychische Widerstandskraft. Diese wird Resilienz genannt.

Das Wort Resilienz kommt aus dem lateinischen „resilire“ und bedeutet zurückprallen oder zurückspringen. In der Naturwissenschaft bezeichnete der Begriff zunächst die physikalische Eigenschaft eines Körpers trotz Einwirkungen von außen immer wieder in seine Ursprungsform zurückkehren zu können. Um sich das bildlich vorzustellen, denken sie einen Flummi, der sich kurz eindellt, wenn er gegen eine Wand geworfen wird danach aber wieder seine runde Form annimmt.

Heute findet sich der Begriff Resilienz in vielen verschiedenen Wissenschaften wieder. So bedeutet Resilienz in den Ingenieurswissenschaften die Fähigkeit eines Systems bei Störungen oder Ausfällen einzelner Teile trotzdem die wichtigsten Systemleistungen aufrechtzuerhalten. In Zusammenhang mit Ökosystemen bezeichnet Resilienz deren Fähigkeit, nach einem disruptiven Ereignis wieder in die vorherige Form zurückzukehren. So zum Beispiel ein Wald, der nach seiner Zerstörung und Umwandlung in eine Wiese, wieder neu wächst. Wenn man sich nun diese ganzen Definitionen anschaut und vergleicht, fällt auf, dass Resilienz in jedem Bereich etwas mit der Störung eines Systems (was dieses auch sei) zu tun hat und dem Umgang mit dieser Störung.

Aber was ist Resilienz dann für das System Mensch?

Resilienz im psychologischen Kontext ist die Fähigkeit mit schwierigen Lebenssituationen und Stress umgehen zu können ohne, dass durch diese Belastungen, langanhaltende psychische Schäden entstehen. Es ist also eine Art psychisches Immunsystem.

Ist unsere Resilienz beeinflussbar?

Ist unsere Resilienz beeinflussbar?

Nun wünschen sich die meisten Menschen natürlich am liebsten ein starkes Immunsystem zu haben. Und die meisten unternehmen deswegen auch viel um ihr körperliches Immunsystem zu verbessern. Bestimmt fällt Ihnen auch auf Anhieb etwas ein, was Sie für die Stärkung ihr körperliches Immunsystem tun können – ob nun Impfungen, gesunde Ernährung oder genügend Schlaf. Die meisten Menschen scheinen eine gute Vorstellung davon zu haben, wie sie ihr körperliches Immunsystem stärken können. Aber wie sieht es mit unserem psychischem Immunsystem aus, der Resilienz? Woher kommt sie? Ist sie uns genetisch vorgegeben wie unsere Augenfarbe oder kann ich sie beeinflussen? Die Antwort ist: Beides. Resilienz entsteht durch ein Zusammenspiel von unseren Erlebnissen, den Einflüssen unserer Umgebung und unserer Biologie. Unsere Resilienz ist dementsprechend auch veränderbar und kann von uns beeinflusst werden.

Was sind wichtige Faktoren für Resilienz?

Was sind wichtigste Faktoren für unsere Resilienz?

Wichtig für unsere Resilienz sind sogenannte Schutz- und Risikofaktoren. Dabei sind Schutzfaktoren Einflüsse, die uns helfen, uns an eine schwierige Lebenssituation anzupassen und sie durchzustehen. Beispiele für solche Schutzfaktoren sind eine für die Person angenehme Gesetzeslage, eine überdurchschnittliche Intelligenz oder gute soziale Beziehungen. Der Kaffeklatsch am Wochenende mit unseren Freunden, kann also durchaus als eine Stärkung für unser psychisches Immunsystem angesehen werden.

Risikofaktoren sind dagegen Einflüsse, die unser psychisches Immunsystem in einer schwierigen Situation schwächen. Diese Einflüsse können zum Beispiel Naturkatastrophen, Armut oder mangelnde soziale Unterstützung sein.

Diese positiven und negativen Einflüsse wirken nun zusammen auf unser psychisches Immunsystem ein. Dabei sind sie aber nicht alleine entscheidend ob wir resilient reagieren in schwierigen Lebenslagen. Denn Resilienz ist kein starrer Prozess, wo gute gegen schlechte Einflüsse gegeneinander aufgewogen werden, sondern ein stetig fortlaufender dynamischer Prozess. Schutz- und Risikofaktoren wirken nicht wie Gewichte die an uns von zwei Seiten ziehen, sondern indem sie bestimmte Verhaltensweisen oder das Nutzen bestimmter Bewältigungsmethoden wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen.

Auch das Durchstehen von schwierigen und stressigen Lebenssituationen selbst kann Einfluss auf unsere Resilienz haben. Vielleicht kennen Sie das von sich selbst, dass Sie, nachdem Sie ein Problem in ihrem Leben erfolgreich gelöst haben, entspannter an ähnliche Probleme herangehen und merken, dass diese Sie nicht mehr so stark treffen. Denn das erfolgreiche Überstehen einer schwierigen Lebenslage kann resilienter machen, indem es unsere Prioritäten ändert oder uns neue Bewältigungsstrategien gelehrt hat oder gar eine Veränderung auf genetischer Ebene ausgelöst hat.

Dies alles zeigt, dass unser psychisches Immunsystem also wandelbar ist und wir daran arbeiten können resilienter zu werden um zukünftige schwierige Situationen besser zu überstehen.

Quellen

______________________________________

Breen, M. S., Maihofer, A. X., Glatt, S. J., Tylee, D. S., Chandler, S. D., Tsuang, M. T., Risbrough, V. B., Baker, D. G., O’Connor, D. T., Nievergelt, C. M. & Woelk, C. H. (2015). Gene networks specific for innate immunity define post-traumatic stress disorder. Molecular Psychiatry, 20 (12), 1538–1545. https://doi.org/10.1038/mp.2015.9

Caspi, A., Sugden, K., Moffitt, T. E., Taylor, A., Craig, I. W., Harrington, H., McClay, J., Mill, J., Martin, J., Braithwaite, A. & Poulton, R. (2003). Influence of Life Stress on Depression: Moderation by a Polymorphism in the 5-HTT Gene. Science, 301 (5631), 386–389. https://doi.org/10.1126/science.1083968

Chmitorz, A., Kunzler, A., Helmreich, I., Tüscher, O., Kalisch, R., Kubiak, T., Wessa, M. & Lieb, K. (2018). Intervention studies to foster resilience – A systematic review and proposal for a resilience framework in future intervention studies. Clinical Psychology Review, 59 , 78–100. https://doi.org/10.1016/j.cpr.2017.11.002

Ellenberg, H. & Leuschner, C. (2010). Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen: in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht (6. Aufl.). UTB, Stuttgart.

Feder, A., Nestler, E. J. & Charney, D. S. (2009). Psychobiology and molecular genetics of resilience. Nature Reviews Neuroscience, 10 (6), 446–457. https://doi.org/10.1038/nrn2649

Kalisch, R., Baker, D. G., Basten, U., Boks, M. P., Bonanno, G. A., Brummelman, E., Chmitorz, A., Fernàndez, G., Fiebach, C. J., Galatzer-Levy, I., Geuze, E., Groppa, S., Helmreich, I., Hendler, T., Hermans, E. J., Jovanovic, T., Kubiak, T., Lieb, K., Lutz, B., .Kleim, B. (2017). The resilience framework as a strategy to combat stress-related disorders. Nature Human Behaviour, 1 (11), 784–790. https://doi.org/10.1038/s41562-017-0200-8

Karatsoreos, I. N. & McEwen, B. S. (2013). Annual Research Review: The neurobiology and physiology of resilience and adaptation across the life course. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 54 (4), 337–347. https://doi.org/10.1111/jcpp.12054

Resilienz (Psychologie) – Enzyklopädie – Brockhaus.de. (2022, 24. Mai). Brockhaus. https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/resilienz-psychologie

Rutter, M., Beckett, C., Castle, J., Colvert, E., Kreppner, J., Mehta, M., Stevens, S. & Sonuga-Barke, E. (2007). Effects of profound early institutional deprivation: An overview of findings from a UK longitudinal study of Romanian adoptees. European Journal of Developmental Psychology, 4 (3), 332–350. https://doi.org/10.1080/17405620701401846

Tedeschi, R. G. & Calhoun, L. G. (2004). TARGET ARTICLE: „Posttraumatic Growth: Conceptual Foundations and Empirical Evidence“. Psychological Inquiry, 15 (1), 1–18. https://doi.org/10.1207/s15327965pli1501_01

Thun-Hohenstein, L., Lampert, K. & Altendorfer-Kling, U. (2020). Resilienz – Geschichte, Modelle und Anwendung. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie , 19 (1), 7–20. https://doi.org/10.1007/s11620-020-00524-6

Was ist Resilienz? Definition im IT-Lexikon. (o. D.). IT-Service.Network. Abgerufen am 3. Januar 2022, von https://it-service.network/it-lexikon/resilienz

Werner, E. E. & Smith, R. S. (2001). Journeys from Childhood to Midlife: Risk, Resilience, and Recovery: A Guide to International Stories in Classical Literature (Illustrated Aufl.). Cornell University Press.